George Steiner „Es gibt einen besonderen Tag in der Geschichte des Westens, von dem weder historische Aufzeichnungen noch Mythos oder Bibel Bericht geben. Es ist ein Samstag. Und er ist zum längsten aller Tage geworden. Wir wissen von jenem Karfreitag, der der Christenheit als der des Kreuzes gilt. Doch der Nichtchrist, der Atheist weiß von ihm ebenso. Das heißt, dass er von der Ungerechtigkeit weiß, von dem unendlichen Leiden, vom Verfall, von dem brutalen Rätsel des Endens, aus denen in so breitem Maße nicht nur die historischen Dimensionen der Conditio humana bestehen, sondern auch das alltägliche Gewebe unseres persönlichen Lebens. Wir wissen unauslöschlich vom Schmerz, vom Versagen der Liebe, von der Einsamkeit, welche unsere Geschichte und unser privates Geschick sind. Wir wissen auch vom Sonntag. Für den Christen bedeutet dieser Tag eine Ahnung, sowohl voller Gewissheit wie Gefährdung, sowohl evident wie jenseits des Verstehens, von Auferstehung, von einer Gerechtigkeit und einer Liebe, die den Tod überwunden haben. Wenn wir Nichtchristen oder Ungläubige sind, wissen wir von jenem Sonntag in analogen Begriffen. Wir fassen ihn als Tag der Befreiung von Unmenschlichkeit und Sklaverei auf. Wir hoffen auf Lösungen, seien sie therapeutisch oder politisch, seien sie gesellschaftlich oder messianisch. Die Züge jenes Sonntags tragen den Namen der Hoffnung ..... .“ (George Steiner, Von realer Gegenwart, München 1990, S. 301f.) Dieses Zitat soll als Beispiel dafür dienen, dass ein Text nur denen verständlich ist, die die kulturellen Einschlüsse teilen bzw. nachvollziehen können. Erarbeiten Sie sich den Text in Partnerarbeit mit Hilfe des Arbeitsblattes! Arbeitsblatt zum Text von George Steiner 1. Geben Sie dem Text einen Titel, der auf den gemeinten Wochentag anspielt. 2. Nennen Sie einige wichtige Merkmale, die mit der Formulierung "Geschichte des Westens" angesprochen sind. 3. Von welcher Kultur sind die genannten Wochentage geprägt und welcher Tag ist dieser Kultur der erste Wochentag? 4. Schreiben Sie auf, wofür hier der Freitag und der Sonntag steht, und zwar in zwei Spalten getrennt für Christen und für Nichtchristen oder Menschen ohne Religion. 5. Angenommen ein Muslim oder ein Hindu verstünden den Text nicht. Schreiben Sie ihnen mit knappen eigenen Worten auf, was der Autor meint. Betr. Gespräch: Momente christlicher Kultur "Es ist Samstag": Text-Zitat von George Steiner aus: Von realer Gegenwart Der Text ist nur zu verstehen, wenn man die Kultur der Wochentage, des Sonntags zumal, des ersten Wochentags, versteht. Babylon kannte einen Siebentagerhythmus ohne Ruhetag. Die Griechen kannten drei Dekaden als einen Monat, ohne Ruhetag. In Rom war jeder neunte Tag ein Markttag, kein Ruhetag. Es gab Festtage, allgemein und familiär. Juden feiern den siebenten Tag = Sabbat = Ruhetag! Christen feiern dagegen den ersten Tag der Woche, also den Sonntag, den Tag der Auferstehung Jesu als Ruhetag. 321 erlässt Konstantin das Sonntagsgesetz. Das GG der BRD legt in Art. 140 ( = Art. 139 der Weimarer Verfassung) fest: Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Seit 1976 ist der Montag der 1. Wochentag. Muslime haben keinen "Sonntag", aber einen besonderen Gottesdienst, das Freitagsgebet. In der Türkei ist der Sonntag staatlicher Ruhetag. Namen: Sonntag: dies solis (Sonne, Mithraskult, Kaiserzeit, seither 1. Wochentag) dies dominicus, dimanche, Tag des Herrn Mon(d)tag: dies lunis, lundi Dienstag: dies Martis, mardi, germ.: Tzin, Tuesday, Kriegsgott Thingrus, Dingsdag, Dienstag Mittwoch: dies Mercurii, mercredi, Wodanstag, Wednesday, seit. 10. Jh. mittlerer Wochentag Donnerstag: dies Jovi, jeudi, Donars Tag Freitag: dies Veneris, vendredi, Venus ist germ. Freya oder Frigga, daher Freitag Samstag/ Sonnabend: dies Saturni, Saturday, Tag vor dem Sonntag = Sonnabend = Sabbat(tag) = Samstag Hans Mayer Europa ohne Christentum ‑ was wäre anders? Gäbe es das Christentum in Europa nicht mehr ‑ was wäre dann in unserem Alltag anders? Wie sähe eine nachchristliche Gesellschaft aus? Woran würden wir merken, dass wir in ihr leben? Zunächst wohl an etwas Äußerem: Wir lebten nicht mehr im Jahr 2001, wir hätten keine kirchlichen Feste mehr, keine Jahreseinteilung mit den Fixpunkten Neujahr, Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Wahrscheinlich gäbe es auch keine Siebentagewoche mehr. An ihre Stelle, an die Stelle des jüdischen Sabbats, des christlichen Sonntags, wäre die Dekade getreten, eine Zehntagewoche, wie sie bereits in der Französischen Revolution und später im Leninismus und Stalinismus als Alternative zum überlieferten Kalender erprobt wurde. Und wonach würden wir die Jahre zählen? Vielleicht nach der Zeitrechnung anderer Religionen; wahrscheinlicher aber nach einer säkularen Zeitrechnung: zum Beispiel nach dem Tod Gottes, wie es Nietzsche und einige seiner Anhänger empfahlen. Gäbe es noch Kirchen? Wahrscheinlich ja; man kann sich kaum vorstellen, dass sie alle der Abrissbirne und dem Bagger zum Opfer gefallen wären. Aber sie wären nur noch Denkmäler einer vergangenen Zeit ‑ Erinnerungen an etwas, das einmal war, aber nun nicht mehr ist: Gottesdienste und Gebete, Versammlungen von Gläubigen, öffentliches Wirken von Christen. Was wäre also anders? Sehr vieles – man kann es nur in Gedanken durchspielen. Die christliche Umwertung der Werte würde gewissermaßen nach rückwärts revidiert. Manches würde sich wieder vorchristlichen, antiken Formen nähern. So könnten an die Stelle der unwiederholbaren (und unumkehrbaren!) christlichen Zeit Gegenmodelle treten: Modelle der Wiederkehr und Wiedergeburt. Statt des christlichen Zeitpfeils also der Kreis – Nietzsche hat das in seiner „ewigen Wiederkehr des Gleichen" vorweggenommen. Dann entfielen nicht nur die Antriebs‑ und Formkräfte der westlichen Forschungs‑ und Wissenschaftskultur, sondern auch die an feste Zeiten, Fristen und Verantwortlichkeiten gebundenen Strukturen der modernen Demokratie. Alles wäre revidierbar. Nichts wäre endgültig. Statt sich dem unerbittlichen Zeitlauf zu unterwerfen, könnte man in einem ewigen Augenblick leben ‑ ohne die Lasten von Schuld, Geschichte, Verantwortung. Oder denken wir an die Balance von Arbeit und Freizeit, von genutzter und zweckfreier Zeit, zurückgehend auf die Zweiheit von Arbeit und Gebet. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie außerhalb jüdisch-christlicher Traditionen wirksam fortbestehen könnte. Mit der überlieferten „Festzeit" ‑ verkörpert vor allem in freien Tagen ‑ geriete auch die „Sozialzeit" unter Druck, Gewerkschaften und Arbeitnehmer wären allein für sich zu schwach, sie zu verteidigen. Der modernen Arbeits‑ und Globalisierungsdynamik fehlte das überlieferte und bewährte Widerlager der „Ruhe am siebten Tag". Am deutlichsten wären die Veränderungen, meine ich, im Bereich von Menschenrecht und Menschenwürde. Denn hier vollzog sich der größte Umschwung, die sichtbarste Umwertung der überlieferten Werte durch das Christentum. Im christlichen Menschenbild herrscht nicht das Naturhafte vor, das organisch Gewachsene, Wohlgeratene ‑ vielmehr sieht das Neue Testament die Menschen unter mancherlei Winkeln der Fragwürdigkeit. Auch die Armen, Kranken, Niedrigen, Kleinen hat Gott erwählt. Die christliche Botschaft richtet sich an alle, an die ganze Menschheit, nicht nur an „höhere" Menschen. Das biblische Menschenbild hat deutliche Spuren in der Geschichte des modernen Rechts‑, Sozial‑, Kulturstaats hinterlassen: Dass man für Arme, Kranke, Behinderte zu sorgen begann, dass man Menschenrechte nicht als Vorrecht der Stärkeren, sondern als Schutz der Schwachen verstand ‑ das sind Spätfolgen dessen, was Nietzsche den christlichen „Sklavenaufstand der Moral" genannt hat. Darauf beruht das moderne Kranken-, Armen-, Erziehungswesen (die Antike kannte keine institutionellen Einrichtungen vergleichbarer Art!). Und darauf beruht auch der Schutz des Lebens der Ungeborenen, der Alten, Kranken, Behinderten, der heute im Fortgang der Säkularisierung brüchig zu werden droht. Wissen wir, ob der Sozialstaat den Untergang der Nächstenliebe überleben würde? Müsste nicht die Solidarität mit den Mitmenschen verschwinden, wenn diese nur noch Fremde wären, andere, Konkurrenten? Schon hat der Nobelpreisträger James D. Watson angesichts der Fortschritte der vorgeburtlichen Diagnostik für ein Recht auf Tötung erbkranker Föten plädiert ‑ die jüdisch-christliche Tradition dürfe solche Eingriffe nicht behindern. Man sieht, die Umrisse einer postchristlichen Gesellschaft zeichnen sich schon deutlich ab ‑ viel deutlicher, als manche Optimisten meinen. Und so ist unser kleines Gedankenexperiment heute leider schon ein Stück Wirklichkeit. Der Autor ist Professor für Christliche Weltanschauung, Religions‑ und Kulturtheorie an der Universität München. FAZ 17. Mai 2001, Nr. 114, S. 16 Kulturbegriff Auszug aus: Humberto R. Maturana, Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie, autorisierte deutsche Fassung von Wolfram K. Köck, Braunschweig/Wiesbaden 21985. - Zit. S. 7 (Vorwort von W. K. Köck). Die Seitenzahlen im Text beziehen sich auf das Buch. Das historische System von Relationen, das die kognitiven Bereiche seiner Angehörigen bestimmt, „. . . indem es den Bereich ihrer möglichen Interaktionsgeschichten definiert“, heißt Kultur. Da Kognition ein subjektabhängiger Prozess ist, kann man nicht von kulturellen Beschränkungen des Zugangs zu einer objektiven Realität sprechen. Es gibt auch keinen Maßstab, um eine Kultur als adäquater als andere auszuzeichnen. Werte sind ausschließlich kulturspezifisch und historisch, da Kulturen von ihrer jeweiligen Geschichte abhängig sind. Diese Relativität von Werten ergibt sich auch aus der Tatsache, dass lebende Systeme selbstreferentielle Systeme sind, im Bezug auf die jeder endgültige Bezugsrahmen notwendigerweise relativ ist: „Aus diesem Grunde ist kein absolutes Wertesystem möglich, und alle Wahrheit und Falschheit im kulturellen Bereich ist notwendigerweise relativ.“ (S. 80) Erfolgreich kann eine Kultur nur innerhalb des Vorhersagebereichs sein, den sie definiert; eine Kultur aus der Perspektive einer anderen als „erfolglos“ anzuprangern, ist damit unzulässig. Die Schlussfolgerung, die Maturana aus diesen Feststellungen zieht, lässt sich nicht als liberales Bloß‑Geltenlassen des Faktischen einschätzen, sondern benennt die Ursachen der Legitimität verschiedener Kulturen: „Kulturelle Verschiedenheiten sind daher legitim und müssen respektiert werden, da sie gültige kognitive Bereiche darstellen, nicht einfach nur, weil sie Ausdruck des Menschen sind.“(S.309) Betr.: Zur Diskussion „islamische Deutsche", „deutscher Islam“ „Die jüdische Mehrheit der Einwohner Jerusalems, die aus 103 unter­schiedlichen kulturellen Umfeldern stammen und fast ebenso viele Spra­chen sprechen, die arabische Bevölkerung Ostjerusalems und die zahlrei­chen christlichen Gruppen - sie alle haben das Recht, ihrer Tradition, Kultur und Religion zu folgen und ihre ureigene Lebensform zu bewahren. Das führt natürlich zu großen sozialen Unterschieden, zu religiösen Kontro­versen und ethnischen und politischen Spannungen. Dieser Vielfalt gerecht zu werden, erfordert wahrhaft die Weisheit eines Salomo.“ Teddy Kolek in: Hilla und Max Moshe Jacoby, Nächstes Jahr in Jerusalem, Neuhausen/Stuttgart 1994, S. 13f. „Die Unabhängigkeitserklärung garantiert jedem Bürger Religionsfreiheit. Jede Religionsgemeinschaft hat gesetzlich wie praktisch das Recht, ihren Glauben auszuüben, ihren wöchentlichen Ruhetag und ihre Feiertage zu begehen. Jede hat ihre eigenen, gesetzlich anerkannten Räte und Gerichte, die für religiöse und Personenstandsangelegenheiten wie z. B. Eheschlie­ßung und Scheidung zuständig sind. ... Da Israel der Staat des jüdischen Volkes ist, sind der Sabbat (Samstag) und die jüdischen Feste wie z. B. Purim, Pessah, Schawuot und Simchat Torah gesetzliche Ruhetage.“ Israel von A - Z, Daten, Fakten, Hintergründe, Neuhausen/Stuttgart 1986, S. 96f. „Das hässliche System“ Islam und Demokratie ‑ lassen sie sich miteinander vereinbaren? Nein, sagen die Islamisten. Ja, sagt unser Gastautor Bassam Tibi, Vordenker des Euro‑Islam. Er entwirft Leitlinien für das deutsch‑arabische Verhältnis nach dem 11. September. Die Terroristen von New York und Washington waren alle arabische Islamisten; sie, ebenso wie ihre Hintermänner, sind zudem als Mitglieder der „Bin Laden-Connection identifiziert worden. Nicht nur die westliche Solidarität mit Amerika und zudem mit den Opfern des Terrorismus, sondern auch zwei andere Überlegungen dominierten die Diskussion über die Folgen des 11. September in Deutschland. Der eine Grund ist das, was Newsweek in ihrer Ausgabe vom 5. November wie folgt nannte: „Islamische Terroristen lieben Deutschland.“ Dies geschieht eben, weil dieses Land im Namen der Schandtaten seiner Vergangenheit „das Intolerable toleriert", wie Newsweek schrieb. Verhältnis im neuen Licht Zuvor bezeichnete die New York Times Deutschland als „safe haven“ (Freiraum) für arabische Terroristen. Und der zweite Grund ist die Tatsache, dass zu der in Deutschland existierenden Islam-Diaspora von 3,5 Millionen Muslimen eine halbe Million Araber zählen. Dieser Hintergrund zwingt uns dazu, das deutsch-arabische Verhältnis im Lichte des 11. September neu zu bewerten, um beurteilen zu können, wie wir die Probleme in Zukunft anpacken sollen. In bezug auf die hier lebenden Araber und die anderen Muslime steht die Frage nach der Vereinbarkeit von Demokratie und Islam an vorderster Stelle. Denn eben diese Vereinbarkeit ist die Grundvoraussetzung für ein friedliches Miteinander sozusagen als Leitkultur, die die Menschen aus zwei unterschiedlichen Zivilisationen teilen. Auf diese Frage gibt es zwei gegensätzliche islamische Antworten. Die eine kommt von den Islamisten, also von jenen Muslimen, die die Religion des Islam in eine Ideologie des Islamismus verwandeln. Der geistige Vater des Islamismus, Abu al‑A'la al‑Maududi, der von deutschen Islamisten in den Moscheevereinen regelmäßig gelesen wird, schreibt hierzu: „Ich sage es Euch Muslimen in aller Offenheit, dass die säkulare Demokratie in jeder Hinsicht im Widerspruch zu Eurer Religion und zu Eurem Glauben steht... Der Islam, an den Ihr glaubt und wonach Ihr Euch Muslime nennt, unterscheidet sich von diesem hässlichen System total... Selbst in Bagatellangelegenheiten kann es keine Übereinstimmung zwischen Islam und Demokratie geben, weil sie sich diametral widersprechen. Dort, wo das politische System der Demokratie und des säkularen Nationalstaates dominiert, gibt es keinen Islam. Dort, wo der Islam vorherrscht, darf es jenes System nicht geben.“ Eine bessere Antwort kommt von den Reform-Muslimen, und sie lautet: Islam und Demokratie sind bei entsprechender Interpretation vereinbar. Der Autor dieses Beitrags gehört zu diesem Kreis, aus dem das Konzept des Euro-Islam hervorgegangen ist. Die Schlussfolgerung lautet nun: Im Interesse der Sicherheit der Demokratie in der Bundesrepublik sowie des friedlichen Miteinanders von Muslimen und Deutschen soll man in Zukunft die Doppelstrategie: Toleranz dem offenen europäischen Islam und wehrhafte Demokratie dem Islamismus. Eine weitere Frage betrifft den oft behaupteten „Kampf der Kulturen“. Das ist eine falsche Formel, weil die beiden Urheber der Diskussion, nämlich Huntington in seinem Buch „Clash of Civilizations“ und auch der Autor dieses Artikels von Wertekonflikten, die die Form eines weltanschaulichen Zusammenpralls annehmen, sprechen. Wir reden nicht vom „Kampf der Kulturen“. Nun gehört zu den Fakten ‑ und dies ist also keine Meinung ‑, dass Menschen aus unterschiedlichen Zivilisationen nicht dieselben Werte verinnerlicht haben. Der Islam ist eine einheitliche Zivilisation – ebenso wie der Westen –, die jedoch in zahlreiche Kulturen unterteilt ist. Religion und Politik trennen Diese haben jeweils ihre eigene Weltanschauung. Es ist blind und töricht zu behaupten, zwischen westlichen und islamischen Weltanschauungen gebe es weder Unterschiede noch Konflikte. Dies wäre eine weltfremde deutsche Gutmenschideologie, weil eben genau das Gegenteil Wirklichkeit ist. Im Lichte des 11. September müssen wir zentrale kulturelle Differenzen erkennen, um sie besser bewältigen zu können und auch angemessen mit ihnen umzugehen. Zwischen Huntington und mir besteht weitgehend Übereinstimmung in Teilen der Analyse, nicht aber in den Schlussfolgerungen. Ich trete für einen Brückenschlag zwischen den Kulturen ein, der eine friedliche Konfliktaustragung einschließt. Zur Toleranz gegenüber dem Islam gehört das Bestehen auf Demokratie und die Trennung zwischen Religion und Politik. Ist dies nicht gewährleistet, können die ersehnten Brücken nicht geschlagen werden. Der Autor ist Professor für Internationale Beziehungen in Göttingen, Gastprofessor in Harvard und Autor vieler Sachbücher. Zuletzt erschien von ihm „Der Islam und Deutschland“(DVA). Rheinische Post, 9. November 2001, Nr. 260 <> 5155