Schwarzweissportrait von Josef Fellsches im schwarzen Rollkragenhemd, die rechte Hand das Kinn umfassend, ab Stirnmitte abgeschnitten. Nachdenklich. Foto: Sibylle Ostermann

Junges Philosophieren & Schreiben

Abbildung des Covers von Josef Fellsches, 'Sinn des Lebens - Lebenssinn!' (=Arbeitshefte Sekundarstufe II), Auer Verlag 2002

Dieses Angebot von QuiVive richtet sich an junge Menschen - Schülerinnen, Schüler, Auszubildende -, die Lust an eigenem Denken und Schreiben haben.

Sie können es machen wie die beiden Lebensästheten Phil und Logi. Diese Figuren sind für das Arbeitsheft "Sinn des Lebens? Lebenssinn!"[*] erfunden worden und begleiten den Kurs mit ihren philosophischen Dialogen. Sie meinen: "Sinn des Lebens? Das ist die Lust, Mensch zu sein!"

[*] Arbeitshefte Sekundarstufe II: Ethik-, Religions- und Philosophieunterricht, hrsg. von Reinhold Mokrosch und Arnim Regenbogen, Auer Verlag 2002

Phil und Logi regen mit ihren Dialogen zu weiterem Nachdenken und zum Widerspruch an.

Beispiele:

Phil: 'Jeder hat etwas im Sinn. - Logi: 'Warum suchen wir ihn dann? (Zeichnung: Johannes Habig)

Ich

Logi: Phil, ich muss dich mal was fragen.
Phil: Ja.
Logi: Siehst du dich als Gestalter deiner bisherigen Entwicklung und deines Lebens?
Phil: In den letzten zwei Jahren eher dich.
Logi: Witzig. – Aber warum zum Beispiel sind gerade wir zusammen?
Phil: Damit wir gemeinsam die Probleme lösen, die wir allein gar nicht gehabt hätten. Woody Allen.
Logi: Ach, spiel' nicht wieder den Komiker. Ich meine die Frage ernst.
Phil: Wie kommst du denn darauf?
Logi: Durch das Buch "Eigenes Leben".
Phil: Also gut. Meine Eltern habe ich mir natürlich nicht ausgesucht, auch nicht meine Zeugung und Geburt. Mein Leben allerdings, ja, das mache ich selbst; in den Möglichkeiten, die ich habe und finde, und abhängig von der Knete.
Logi: Für die hast du deine Eltern immerhin in der Reserve. Bei mir ist das anders, - vergiss das nicht. Meine Eltern sind geschieden. Meine Mutter hat nicht viel, und mit meinem Vater habe ich ja keinen Kontakt.
Phil: Aber du hast was draus gemacht, stehst auf eigenen Füßen. Das ist es doch.
Logi: Na gut, soweit. Mich beschäftigt da aber noch etwas verrückt Schwieriges. Diese irre Frage nach dem Ich. Nicht Ich als Bewusstsein oder dass ich von mir in der ersten Person spreche, sondern dass ich überhaupt bin; ich Logi Steinitz, diese Frau, die es nur ein einziges Mal auf der Erde und in der ganzen Geschichte gibt. Irgendwie Schwindel erregend finde ich das.
Phil: Ja, das kenne ich auch. Manchmal kommt das wie ein Schlag. Manchmal vor dem Spiegel wie so ein Kippbild: mal sehe ich mich als anderen, mal bin ich es.
Logi: So ungefähr. Es ist schwer zu fassen. Du kannst es nicht festhalten, obwohl es genau der Punkt ist. Es geht genau um mich als dieses Ich. Und das ist wichtiger als die Idee "mein Leben als Gesamtkunstwerk".
Phil: Ja, es ist der Grund für das Gesamtkunstwerk. Sozusagen das Anrecht auf mich selbst.

Leben ist...

Logi, eine Sisyphos-Darstellung betrachtend: 'Das Leben ist ein Geschäft, dessen Ertrag bei weitem nicht die Kosten deckt. Schopenhauer.' - Phil: 'Das Leben lohnt sich, weil es absurd ist. Camus.' (Zeichnung: Johannes Habig) Logi: "Das Leben ist ein Spiel".
Phil: "Das Leben ist Kampf".
Logi: "Das Leben ist Theater".
Phil: "Wir sind Marionetten".
Logi: "Das Leben ist eine Wette".
Logi, Phil umarmend: 'Die zwei Jahre mit Dir bisher haben sich jedenfalls gelohnt. (Zeichnung: Johannes Habig) Phil: "Leben ist Verausgabung".
Logi: "Leben ist Dienen".
Phil: "Des Menschen Leben ist ein Leidensweg".
Logi: Was soll man eigentlich von solchen Sprüchen halten?
Phil: Sie bringen das Leben auf einen einfachen Nenner. Zwischen Spiel und Absurdität.
Logi: Und nicht ganz ohne Wahrheit.
Phil: Es sei denn, der Mensch ist ein Irrtum der Evolution.
Logi: Ich halte mich nicht für einen Irrtum.

Sein Leben verfehlen?

Phil, zwei junge Obdachlose betrachtend: 'Manche sage, die hätten ihr Leben verfehlt.' - Logi: 'Gibt es also doch eine Bestimmung, die sie nicht erfüllt hätten?' (Zeichnung: Johannes Habig)
Phil: Hör' mal, Logi. Ich häng' da an der Redensart "sein Leben verfehlen". Kann man denn überhaupt sein Leben verfehlen, wenn es keine Berufung oder Vorbestimmung gibt?
Logi: Also manche glauben ja daran oder an so etwas Ähnliches. Aber das willst du ausschließen.
Phil: Ja, will ich. Ich frage ganz rational.
Logi: Gebraucht wird das Wort ja noch. Wenn ein Drogi am Ende ist oder ein Alki, da kann man das hören: "Die haben ihr Leben verfehlt".
Phil: Aber inwiefern haben sie das. Dann gäbe es ja doch eine Bestimmung des Menschen, die sie nicht erfüllt hätten?
Logi: Außer sich selbst zu bestimmen, fällt mir keine ein. Vielleicht haben sie das ja getan. In gewisser Weise haben sie das ja. Am Anfang jedenfalls eher als am Ende. Sie haben ihr Leben gelebt und verbraucht.
Phil: Verausgabt und verschwendet: Maximum 25, aber bis dahin die eigene Reise, gegen den Rest der Welt. Meinst du das?
Logi: Nur bei ganz wenigen, glaub' ich, ist das so ein Programm. Die eigene Reise ja. Aber sie muss doch nicht so auf Abgang zielen.
Phil: Ja, okay. Da hat jeder seine eigene Geschichte. Aber lass uns noch mal auf den Punkt kommen. Die Frage war ja, ob so jemand sein Leben verfehlt. Wo ist der Ansatz für dieses Urteil.
Logi: Eigene Geschichte, sagst du. Das ist vielleicht ein Ansatz. Was ist eigene Geschichte? Bis zum heutigen Tag kannst du sie erzählen und schreiben, aber nach vorne sieht das anders aus, nach dorthin ist sie offen. Da kommt's drauf an, was kommt. Oder was man plant und entwirft.
Phil: Ja, einschließlich der Frage "Was für ein Mensch will ich überhaupt werden?" Also, so feierlich stellt man sich die Frage vielleicht nicht, aber gerade wenn es keine Vorbestimmung gibt, scheint sie doch wichtig.
Logi: Ja, seh’ ich auch so, denn am Schluss ist die Frage auf jeden Fall beantwortet, auch ohne dass man sie gestellt hatte. Dann kannst du nur noch fragen, "was für ein Mensch bin ich geworden", oder fast nur noch.
Phil: Eben. Dann ist einer der oder die geworden und hat nichts oder nicht viel dazu getan.
Logi: Das wärs dann doch auf deine Frage. Als die Herkunft bestimmte: "Du übernimmst das Geschäft!", da wusste man ja, wo's langgeht. Wenn du aber gar nicht erst davon ausgehst, bist du selber dran und musst dir klarmachen, was du willst.
Phil: So einfach. Und wenn man das nicht tut, verfehlt man sein Leben?
Logi: Naja, dann verfehlst du die Chance, dein Ding zu machen oder wenigstens in die anderen Sachen einzugreifen.
Phil: Mhm, nicht schlecht. Hat ja was gebracht. Aber komisch, dass es mir jetzt so einfach erscheint und am Anfang so kompliziert vorkam.

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