Kunst im öffentlichen Raum: Duisburg
Hicke und Pick sind zwei Männer, die durch Duisburgs Innenstadt schlendern und sich die Kunstwerke ankucken. In Duisburger Umgangssprache unterhalten sie sich über die Stücke und interpretieren sie: "Sachma, wie finnsse dat denn."
Sie sind wahrlich keine Kunstwissenschaftler, sondern Leute von der Straße, aber wattse zu sagen haben, is nich ohne. Nämlich nicht ohne Charme und nicht ohne Annäherung an Kunst.
Hier eine Kostprobe:
Hicke und Pick - "Die kniet vor keinen"
Hicke:
Hörma Pick, getz fällt mich wat ein. Getz zeich ich dich ma eine. Die steht nich, die kniet.
Da isse. Siehsse, datse kniet? Wat sachsse zu der.
Pick:
Boh äh, die is aber weit weg. Da brauchsse aber lang, bisse an die rankommss.
Hicke:
Ja wa. Die is heilich. Dat is meine.
Pick:
Wie die da kniet. Vor wen eintlich?
Hicke:
Vor keinen. Die kniet vor keinen. Die kniet nur so für sich.
Pick:
Wie groß die is. Stell dichma vor, die steht auf. Dann musse aber janz schön hochkucken zu die.
Hicke:
Dat hatse aber auch im Knien.
Pick:
Un nackt isse natürlich auch, aber irgendwie anders.
Hicke:
Ja die hat ja ihr Kleid so übert Knie dekoriert.
Pick:
Dat is mehr son Tuch, wat se runnergerutscht is. - Boh nä, so kann die Mimi nich knien.
Hicke:
Dat kann keine Frau. Dat is einfach die Frau überhaupt.
Pick:
Heijeijei, getz fängsse aber am feiern: "die Frau überhaupt". Also isse gakeine.
Hicke:
Nä ehrlich, Pick. Da is au wat zum Feiern. Dat is dat..., dat is schwer, du. Ich könnt mich hier hinstelln un auf se aufpassen. Sowat is dat, vostehsse?
Pick:
Ja ja, ich sach ja, du kommss nich anse ran. Un trotzdem hatse wat, wat dich anse ranzieht, ne. Die is ja auch auwem Podest. Wennse im Gras knien würt, könntessese wascheinlich anpacken.
Hicke:
Nänä. Rühr mich nich an, sacht die. Die is bloß zum Voehrn, sarrich dich.
Pick:
Mann, Hicke. Wolltesse denn in echt sonne Frau ham?
Hicke:
Nä, Pick, nä. Aber die Lilli is auch en bisken so. Manchma kommtse mir so vor.
Pick:
Un dat finnsse dann schön?
Hicke:
Jo, jojo, find ich. Dat Bisken davon aber nur.
Pick:
Im Jesicht isse ja wat schmal. Un dä Kopp so schräg, als wennse am beten wär.
Hicke:
Wennse am beten wär, hättese die Hand nich so. Un die andere nich so auwet Knie. Auf dat rechte knietse ja, un auf dat linke hattse die Hand geleecht.
Pick:
Ja weisse, waddich getz ers merk, Hicke?
Hicke:
Wat denn.
Pick:
Dat is, als wennse sich zeigen wollte. An ihre rechte Hand siehsse dat. Die hältse so anne Brust, siehsse? Als wennse sagen würt: "Kumma ich".
Hicke:
Ja, vielleicht hasse recht. Doch, dat kann sein. Aber se macht dat mehr so stickum, so stillekes, wie ene Madonna.
Pick:
Ja dat stimmt, du. Wie ene Madonna, aber nich vonne Kirche. - Daddet sowat gibt.
Hicke:
Weisse wat mein Vatter vonse gesacht hat, als er noch am Leben war?
Pick:
Nä, wat denn.
Hicke:
Früher hammse der ma wat anjezogen.
Pick:
Wie anjezogen. Wer. Dat vosteh ich nich.
Hicke:
Ja, son Bettuch umse drumgehängt. Ers so Mädchen vonne höhere Schule un dann glaubich so Flaumis vonne kaufmännische oder so. Un umgeschmissen hammsese aunoch.
Pick:
Wann waa dat denn?
Hicke:
Is schon lange her. Alssese aufgestellt ham anne Tonhalle, wo getz die Mercatorhalle is. 1927 wa dat glaubich.
Pick:
Ja damals. Da warn die alle so voklemmt warn die damals alle so, weisse. Total voklemmt.
Hicke:
Aber scheinheilich warn se auch. Glaub mich dat. Un dä pure Neid.
Pick:
Wie meinsse dat.
Hicke:
Ja weilse selbs nich kucken durften, hammse dat auch die andern nichejönnt. Dä Hausfrauenverein zum Beispiel, dä wa au dabei. - Un für Wählerstimmen natürlich.
Pick:
Woher weisse dat denn nu wieder.
Hicke:
Hat mein Vatter gesacht alser noch am Leben war. Fürt Zentrum un die Nazis, die kamen.
Pick:
Kannsse ma sehn du. - Heute kannsse an jeden Kiosk inne Frauen reinkucken.
Hicke:
Jaja, aber über dä große Vogel mit seine Braut hamse sich auch aufgereecht.
(Die Rede war von Wilhelm Lehmbrucks "Die Kniende", 1911, Bronze, am Lehmbruck-Museum.)
Hicke & Pick live erleben:
Am 31, Mai 2006 gibt es in Duisburg eine Inszenierung von "Hicke & Pick über Kunst im öffentlichen Raum". Sie beginnt um 18:00 Uhr an der Skulptur von Niki de Saint Phalle, Königstraße Ecke Düsseldorfer Straße. Dazu sind Sie herzlich eingeladen!
Weitere Live-Aufführungen sollen folgen.
Mehr lesen von Hicke & Pick:
Die Betrachtungen von Hicke & Pick sind als Buch in der Mayerschen Buchhandlung, Kuhstraße 33. erhältlich:
Josef Fellsches, "Die hängt an dem". Hicke und Pick über Kunst im öffentlichen Raum Duisburg.
Mit Zeichnungen von Johannes Habig, Verlag Mayersche Buchhandlung 1996.
- Wie die sich hinstellen kann - Gerhard Marcks: Freya, 1950, Bronze
- Die kniet vor keinen - Wilhelm Lehmbruck: Die Kniende, 1911, Bronze
- Winkeleisen - Thomas Virnich: Schiffsmasken, 1991 - 1993
- Die lange dünne Tussi - Marcello Mascherini, Triestina, 1960
- Von jede Seite anders - Berto Lardera: Dramatische Gelegenheit VIII, 1963, Eisen und Stahl
- Blechstücke un Löcher - Friederich Werthmann, Mercator-Kugel, 1963/1993
- Dat is dat Orjanische - Otmar Alt, Wassermühle, 1986
- Traumbrunnen Kurbelwelle - André Volten, Brunnen, 1983
- Die hängt an dem - Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely: Lifesaver, 1991 - 1993
- Dat "Nazi-Pisserken" - August Kraus, Wasserspendender Knabe, 1908
- Kleine Stinna - Hans Stangl, Hockende, 1936, Bronze
- Nachem Baden - Pericle Fazzini, Frau am Fluß, 1940/1960, Bronze
- Dä Gefolterte - Hede Bühl, Denkmal für die Opfer des Naziregimes, 1984, Bronze
- Pure Phantasie - Joan Miró, Personnage et oiseau, 1961, Bronze
- Dä schräge Stadtbrunnen - Ulf Hegewald, Stadtbild, 1991 - 1993
- Dä Anker - Zolten Szekessy, Großer Anker, Brunnen, 1956, Stahl, vergoldet
- Frau auf beide Knie - Toni Stadler, Kniende Figur - Eos, 1958, Bronze
- Dat Wasserschlößken - Wasa Marjanov, Wasserplastik ohne Titel, 1991
- Dat lastet auf einen - Xawery Dunikowski, Fatum, 1904, Bronze